Als Agentur für Esports und Gaming sind wir vor allem damit beschäftigt, spannende Projekte zu betreuen und unsere Zielgruppen mit digitalem Entertainment zu begeistern.
Die Wirkung von Gaming in der Gesellschaft ist dabei eher Nebensache. Doch in den letzten Monaten habe ich regelmässig Gespräche geführt, in denen die Akzeptanz von Gaming als Hobby oder die Akzeptanz von Esports als Karriereweg das Thema war.
Es waren Gespräche mit Pädagogen, die mit ihren Schülern Games thematisieren, Psychologen, die Süchtige betreuen, Journalisten aber auch vielen Personen aus der Gaming-Branche.
Die Akzeptanz von Gaming
Seit in den 1970er Jahren die ersten Konsolen auf den Markt kamen sind schon bald 50 Jahre vergangen. Und auch wenn die Verbreitung von Heimkonsolen nicht von Beginn an so gross war wie heute, gibt es mittlerweile schon mehrere Generationen, die mit Games aufgewachsen sind. Wie im Film gibt eine breite Palette von Genres für alle Altersstufen und Interessen. Und trotzdem hat Gaming als Freizeitbeschäftigung noch nicht den Status, welchen beispielsweise Filme haben.
Wenn ich neuen Bekanntschaften von meiner Arbeit erzähle, kommt oft die Frage zurück «Du gamest also selbst auch?», weil es offenbar schwer vorstellbar ist, dass ein Erwachsener Computerspiele zockt. Und von Leuten, die im C-Level arbeiten, erfahre ich im Vertrauten, dass sie auch Gamer sind, aber das im Unternehmen nicht an die grosse Glocke hängen möchten. Vor allem von Gamerinnen höre ich, dass ihr Hobby oft auf Unverständnis stösst.
Doch warum ist das so? Der Gamer wird oft noch stigmatisiert: pubertierende Jungs, die im Keller ihrer Eltern nächtelang durchzocken und den Bezug zur Realität verlieren.
We bei allen Stereotypen kommt auch das Gamer-Klischee nicht von ungefähr. Allerdings sind Games heute Mainstream und immer mehr auch ein Pop-Kultur-Phänomen. Der Let’s Player Ninja streamt an Silvester live vom Times Square, durch Pokemon Go stand für einen Monat die ganze Welt Kopf und Stars wie Kim Kardashian haben ihre eigenen Games am Start.
Den Unterhaltungswert von Games mal aussen vorgelassen, gibt es viele weitere positive Aspekte von Games. Phil Rüegg, Games-Redakteur für digitec, hat in einem lesenswerten Artikel die 65-jährige Edith Pfiffner interviewt. Frau Pfiffner ist leidenschaftliche Gamerin und vergleicht ihr Hobby mit dem, was viele andere Schweizer tagtäglich stundenlang tun: Fernsehschauen. Während sie als Gamerin aktiv ist, vom Spiel täglich neu gefordert wird und auch Beziehungen zu Mitspielern pflegt, sei Fernsehkonsum sehr passiv und Beziehungen kommen oft zu kurz.
Die gleichen Argumente, die auch ich als Kind genutzt habe, um von meinen Eltern zusätzliche Gaming-Zeit zu erwirtschaften. Meistens jedoch ohne Erfolg. Erfreulicherweise sehe ich aber auch eine neue Generation aufwachsen, die mit weniger Widerständen zu kämpfen hat. An Gaming-Messen tauchen die Kids mit ihren Eltern auf, die sich für ihr Hobby interessieren und teilweise auch begeistern. Die Fussball-Mamis sind nun Fortnite-Mamis. Und natürlich sich auch da noch Vorbehalte vorhanden – zurecht. Aber Gamen an sich schliesst nicht aus, dass man auch Sport betreibt, Beziehungen pflegt und einer geordneten Arbeit nachgeht.
Natürlich sind Online-Beziehungen nicht gleichzusetzen mit klassischen Bekanntschaften. Aber sicher sind sie besser als Keine und ihre Existenz ist nicht von Games bedingt, sondern Teil der heutigen Gesellschaft. Durch Whatsapp, Tinder, Facebook und co. ist digitale Kommunikation normal geworden und Games sind hier keine Ausnahme.
Akzeptanz von Esports
Esportler kämpfen neben der Gamer-Stigmatisierung auch noch mit vielen weiteren Hürden. Sie müssen, um in ihrer Karriere erfolgreich zu sein, viel spielen und der Übergang zur Sucht ist nicht klar abgegrenzt. Aber auch diese Begebenheit muss man relativieren.
Die Zeiten, in denen die besten Esportler der Welt die waren, die einfach möglichst viele Stunden pro Tag gespielt haben, sind vorbei. Die Esportler haben gemerkt, dass jeder viel gamen kann. Um sich abzuheben ist es, wie auch im klassischen Sport, nötig, den ganzen Körper und den eigenen Lifestyle zu optimieren. Jedes Profi-Team hat eine Entourage von Experten, die dieses begleiten. Ernährungsberater und Köche, Yoga- und Fitnesstrainer sowie Mental Coaches und Esports-Trainer helfen den Athleten, Höchstleitungen zu erbringen. Ein Training besteht nicht nur aus Gamen, sondern auch aus viel Analyse und Reflexion, Arbeit auf Beziehungsebene und Ruhepausen.
Trotz Professionalisierung des Alltags von Profi-Esportlern sind diese natürlich noch immer überdurchschnittlich viel vor ihren Bildschirmen. Aber meiner Meinung nach muss auch dies relativiert werden. Warum wirft man einem Esportler ein Suchtproblem vor, obwohl ihr Verhalten ähnlich «krank» ist, wie das eines Leistungssportlers? Warum wirft man einem Profi-Fussballer nicht vor, dass er süchtig ist, weil er tagtäglich und bei jedem Wetter seinen Körper an die eigenen Grenzen treibt? Oft treiben die Sportler ihren Körper sogar über ihre Grenzen und verletzen sich, obwohl sie sich der Risiken bewusst sind.
Schlussendlich ist es das Streben nach Perfektion und Erfolg, was Sportler antreibt. Egal ob sie dabei einem Ball hinterherrennen oder ihre Tastaturanschläge pro Minute optimieren.
Gründe und Lösungsansatz
Viele dieser Probleme kommen auch davon, dass Esports schnell und ganz anders gewachsen ist, als andere Hobbys. Als Gamer spiele ich von Beginn an online mit der ganzen Welt. Für mich ist nur sekundär wichtig, ob mein Teamkollege im Nachbarhaus wohnt oder in einem anderen Land. Sprachbarrieren sind kein Hindernis, sondern eine Chance, sein Englisch zu üben und dabei Leute aus fremden Kulturen kennenzulernen. Die Games werden von globalen Publisher beherrscht, die auch die Esports-Szene nach ihrem Gutdünken top-down modellieren.
Ganz im Gegensatz dazu sind die meisten Sportarten wie Fussball bottom-up gewachsen. Ein Fussballer braucht einen Verein, um einen Fussballplatz zu finanzieren und zu unterhalten. Und in diesen Vereinen findet er auch mehr oder weniger geordnete Strukturen für die Betreuung von Jugendlichen oder einem Wettkampfbetrieb. Diese regionale, grassroot-gewachsene Basis fehlt dem Esports und dem Gaming. Eltern haben keinen Ort, wo sie ihre Kinder in ein Training schicken können, wo sie von Erwachsenen betreut werden. Die Kids machen das allein in ihrem Zimmer. Und Eltern haben auch keine Ansprechperson, die ihnen das komplexe Thema Games erklärt und hilft, Challenges im Medienverhalten ihrer Kinder zu regulieren.
In meiner Idealwelt gibt es dies. Lokale Gaming-Vereine in jeder Gemeinde, wo Kinder und Eltern gleichwohl betreut werden und welche die Basis für ein nationales Wettkampf-System bilden. Doch bis dahin braucht es noch ein paar Generationen, die mit Games aufwachsen und sich zur Gründung solcher Vereine berufen fühlen. Vielleicht braucht es auch die Unterstützung der öffentlichen Hand. In jedem Fall braucht es noch ein bisschen Zeit. Zeit, die Games und Esports durch ihr rasantes Wachstum übersprungen haben.
Ich freue mich auf einen Austausch mit Ihnen zu diesem Thema auf Social Media oder in einem klassischen Offline-Gespräch.